Negativemissionen – 6 Fragen an neustark-Gründer Valentin Gutknecht


Negativemissionen – ein Wort, das schnell an Wichtigkeit und Bekanntheit gewinnt. Das Konzept steht auch für die Firma neustark im Zentrum. Das Berner Unternehmen speichert aus der Atmosphäre entferntes CO₂ dauerhaft in Beton. Co-Gründer und Co-CEO Valentin Gutknecht beleuchtet die Hintergründe dieser neuartigen und durch die Klimastiftung Schweiz geförderten Technologie. 

Negativemissionen stehen für neustark im Fokus. Weshalb?

Valentin Gutknecht:  Die langfristige Klimastrategie des Bundes legt fest, dass die Schweiz bis 2050 ihr Netto-Null-Ziel erreichen muss. So trägt die Schweiz dazu bei, die globale Erwärmung auf 1.5°C zu beschränken und dadurch die Klimarisiken für Mensch und Umwelt möglichst gering zu halten. 

Dazu braucht es in erster Linie eine starke Reduktion von Treibhausgas-Emissionen wie Kohlendioxid. Aber nicht alle Treibhausgasemissionen sind komplett vermeidbar. Deswegen braucht es zusätzlich Technologien, die CO₂ dauerhaft speichern: Negativemissionstechnologien. 

Und ihr erzeugt solche Negativemissionen durch die Speicherung von CO₂ in Beton. Warum Beton? 

Um unsere Klimaziele zu erreichen, braucht es funktionale und leicht skalierbare technische Lösungen, um CO₂ zu speichern. Der Reiz, auf dem Sektor einzusteigen, lag für uns erstens darin, dass sich das CO₂ in Baustoffen unabsehbar lange speichern lässt. Zweitens hat uns motiviert, dass sich die Kohlendioxid-Speicherung in Beton in nahezu jedem Ballungsgebiet auf der Welt umsetzen lässt. Drittens macht uns die Zusammenarbeit mit unseren motivierten Partnern aus der Baubranche einfach unglaublich viel Spass.[nbsEine der aktuell fünf Anlagen von neustark in der Schweiz (Stand Oktober 2022) – in Regensdorf bei der KIBAG.


Und wie funktioniert das?

CO₂ wird indirekt aus der Luft gefiltert. Wir gewinnen das CO₂ aus der Biomassevergärung bei Biogasanlagen, wobei die Biomasse das CO₂ ursprünglich über die Fotosynthese aus der Luft entnommen hat.

Das CO₂ geben wir dann nicht direkt dem neuen Beton zu, sondern bringen dieses in Kontakt mit fein gebrochenem Bauschutt. Man könnte dieses Material als Recyclingkies bezeichnen. So wird das CO₂ durch unseren Prozess in den Poren und auf der Oberfläche von diesem Recyclingkies in der Form von Kalkstein gebunden. Die CO₂-Speicherung baut langfristig Klimalasten ab. 

Derzeit werden durch unser Verfahren zehn Kilogramm CO₂ pro Tonne Bauschutt gespeichert. Das ganze Team arbeitet mit Hochdruck daran, diesen Wert weiter zu steigern. Des Weiteren pilotieren wir gemeinsam mit Partnern Wege, Kohlendioxid nicht nur in Beton, sondern auch in geologischen Formationen zu speichern.

 

Wie ist neustark entstanden, woher kommt eure Mission?  

2019 haben Johannes Tiefenthaler und ich neustark als Spin-off der ETH Zürich gegründet. Während seines Doktorats an der ETH hat Johannes Technologien zur Mineralisierung von Kohlendioxid erforscht und mitentwickelt. Und ich arbeitete vor der Gründung von neustark unter anderem bei Climeworks, einem anderen ETH-Spin-off, welches eine Technologie für die Entfernung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre betreibt. 

Zusammengekommen sind wir dank einem gemeinsamen Kontakt und unserer gemeinsamen Vision einer Lösung zur permanenten Speicherung von CO₂ über eine rasch skalierbare Lösung. Wir setzten darauf, CO₂in recyceltem Beton zu speichern, und suchten uns Partner in der Baubranche. 

2020 haben wir unsere erste Pilotanlage beim Betonwerk Kästli in Rubigen BE in Betrieb genommen. Inzwischen speichern zahlreiche Betonproduzenten mithilfe unserer Anlagen CO und produzieren Beton, der bei privaten und öffentlichen Bauprojekten zum Einsatz kommt.

 

Welche Rolle hat die Unterstützung der Klimastiftung Schweiz auf eurem Weg gespielt?  

Ohne den Beitrag der Klimastiftung Schweiz hätten wir unsere Pilotanlage wohl nicht umsetzen können. Noch bedeutender war das "Qualitätssiegel", das uns die Stiftung durch ihre Förderung indirekt verliehen hat. Dieser Effekt war deutlich spürbar.

Bei der Bewerbung im Jahr 2020 hatte ich den Eindruck, dass die Klimastiftung ein spezielles Augenmerk auf Negativemissionstechnologien geworfen hatte. Heute ist dieses Gebiet stark in den Fokus von Klimadebatten gerückt – damals war das noch nicht der Fall. Da war die Klimastiftung eine Pionierin. 

 

Ohne den Beitrag der Stiftung hätten wir unsere Pilotanlage wohl nicht umsetzen können. Noch bedeutender war das "Qualitätssiegel", das uns die Stiftung durch ihre Förderung indirekt verliehen hat.

 

 

Im Zuge des Bewerbungsprozesses hatten wir eine Idee, wie wir die Mittel der Stiftung nicht gemäss ursprünglichem Plan, aber mit noch mehr Impact einsetzen könnten. Die Stiftung hat darauf enorm flexibel und breitwillig reagiert. 

Zudem ist auffallend, wie die Klimastiftung Schweiz ihre Projekte nicht nur während der aktiven Förderphase, sondern auch darüber hinaus begleitet. Ein Beispiel: Die Stiftung hat uns geholfen, in den Prix SUD und die Catwalk Competition reinzukommen – beides super Plattformen für uns. Ich habe selten eine so enge Beziehung mit einer Förderinstitution aufgebaut, und bin dankbar für diese tatkräftige Unterstützung. 

Und wohin geht’s als Nächstes mit neustark? 

Seit unserer Gründung 2019 haben wir eine kommerziell stabile, stark wachsende Firma mit einem enthusiastisch-ambitionierten Team von zurzeit 20 Köpfen aufgebaut. Das Wichtigste für uns dabei: Unsere Technologie und Strategie haben einen echten Impact auf den Klimawandel, denn wir erzeugen heute schon Negativemissionen. 

Aber es ist klar: Wir wollen diesen Impact vervielfachen. Nach diesen ersten drei intensiven und ergiebigen Jahren sind wir nun dran, neustark international zu expandieren sowie unsere Technologie weiter zu skalieren. 

Auch bei anderen Ansätzen zur Speicherung von CO₂ – also nicht nur in Beton – wollen wir langfristig einen Beitrag leisten. So sind wir an einem Pilotprojekt der ETH namens DemoUpCARMA beteiligt, in dem unter anderem Transportketten für CO₂ aus der Schweiz zur Speicherung in geologischen Reservoiren in Island pilotiert werden. 

Ich bin fest überzeugt, dass das Potential von Negativemissionstechnologien enorm ist. Wir möchten an vorderster Front sein, um zu helfen, solche Technologien noch wirksamer zu machen und grossflächig anzuwenden. Denn nur so können wir unsere Klimaziele erreichen. 

 

Coverbild: Vincent Eckert (Geschäftsführer Klimastiftung Schweiz), Valentin Gutknecht (Co-Gründer und Co-CEO neustark), Johannes Tiefenthaler (Co-Gründer und Co-CEO neustark), v.l. © Sven Brauchli

Über die Klimastiftung Schweiz

«Von der Wirtschaft für die Wirtschaft und fürs Klima». Nach diesem Prinzip unterstützt die Klimastiftung Schweiz Projekte kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU), die einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Die Stiftung hat seit ihrer Gründung im Jahr 2008 Fördergelder in der Höhe von 33 Millionen Franken für über 2'100 KMU in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein gesprochen.

Die Klimastiftung Schweiz wurde als gemeinnützige, unabhängige Stiftung gegründet. Sie ist unter Bundesaufsicht und steht interessierten Firmen offen, die durch einen effizienten und gezielten Einsatz der Rückverteilung aus der CO2-Lenkungsabgabe den Klimaschutz verstärken wollen.

 

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